Offener Brief an die Stadt Eisenberg bezüglich des „Eisenberger M*****festes“ 2020

Im Mai 2019 hat die Stadt Eisenberg erstmals ihr jährliches Stadtfest unter dem rassistischen Titel „Eisenberger M*****fest“ veranstaltet. Während Vertreter*innen der Stadt zum Ausdruck gebracht haben, dass die Veranstaltung Weltoffenheit und Toleranz signalisieren soll, steht die Namensgebung doch in einem unauflösbaren Widerspruch mit diesem selbsterklärten Ziel. 

Bezeichnung „M***“ ist untrennbar mit der Geschichte des europäischen Kolonialismus und Rassismus verknüpft, weshalb sie Schwarze Menschen diskriminiert und verletzt und damit unvereinbar mit den von der Stadt proklamierten Werten der Offenheit, des gegenseitigen Respekts sowie der Achtung und Würde aller Menschen ist.

Verschiedene Initiativen, Beratungsstellen, Beiräte, Netzwerke und Einzelpersonen, darunter Landtagsabgeordnete aus dem Saale-Holzland-Kreis wie auch darüber hinaus kritisierten entsprechend schon 2019 die Namenswahl für das Stadtfest und fordern nun mit diesem offenen Brief die Veranstaltenden erneut auf, die Veranstaltung nicht nochmals unter der bestehenden Bezeichnung stattfinden zu lassen. Die durch Corona bedingte Absage des Festes 2020 ist aus unserer Sicht eine Chance dafür, dass sich die diskriminierende Bezeichnung des Festes nicht weiter verfestigt. Die Unterzeichnenden dieses Briefes möchten die Stadt hiermit zu einem Gespräch einladen, in dem mögliche alternative Namensvorschläge und Gestaltungen des Festes gemeinsam diskutiert werden, welche dem besagten Anliegen der Veranstaltenden gerechter werden können.

Es gibt viele gute Gründe, warum die Bezeichnung „M***“ weder im Allgemeinen, noch für ein Stadtfest verwendet werden sollte: Der Begriff geht sowohl auf das lateinische „maurus“ („schwarz“, „dunkel“, „afrikanisch“) als auch das altgriechische „moros“ („töricht“, „einfältig“, „dumm“ und auch „gottlos“) zurück. Im Laufe der Geschichte wurde das Wort für verschiedene Bevölkerungsgruppen benutzt, diente jedoch spätestens seit dem 18. Jahrhundert dazu, Schwarze Menschen auf ihre Hautfarbe sowie weitere physische Merkmale zu reduzieren und herabzuwürdigen. Die kolonialen und rassistischen Bilder und Assoziationen, die so untrennbar mit dem Wort „M***“ verbunden sind, stehen nicht nur in fundamentalem Widerspruch zu der von der Stadt proklamierten Botschaft des Festes, sondern insgesamt zu den demokratischen Werten einer modernen Gesellschaft. Die aktuelle Bezeichnung des Stadtfestes wäre damit auch kritikwürdig, wenn sie eine langjährige Tradition besäße. Es ist jedoch umso erschreckender, dass es sich bei dem „Eisenberger M*****fest“ um eine Neubenennung handelt.

Über die Bezeichnung des Stadtfestes hinaus war die letztjährige Veranstaltung an verschiedenen Stellen von exotisierenden Darstellungen Schwarzer Menschen in Form von Verkleidungen, z.B. als unterwürfige Diener*innen, und dem dunklen Übermalen der Haut Weißer Menschen („Black Facing“) geprägt. Es wurde eine Palette von Produkten angeboten, die den rassistischen Begriff wiederholten (M*****-Kaffee, M*****-Küsse, M*****-Bier etc.), und zudem wurde auf der Hauptbühne mehrfach ein Theaterstück aufgeführt, das die sogenannte „M*****-Sage“ aus Eisenberg aufgriff. Darin wird die Geschichte eines versklavten, namenlosen Schwarzen Kindes erzählt, das die Gräfin von Eisenberg unterhalten sollte. Während der Aufführung wurden immer wieder Kinder im Publikum aufgefordert, die rassistische Fremdbezeichnung „M***“ zu rufen und zu singen. Anstatt den historischen Hintergrund dieser Geschichte zu beleuchten und auf das Unrecht der Versklavung einzugehen, wurde beim Stadtfest 2019 in Eisenberg von einem „Waisenkind“ berichtet, das der Eisenberger Graf von einer Reise mitgebracht hätte. Eine derartige Erzählung der Sage verharmlost den Handel mit versklavten Menschen und die Bedingungen ihrer Unterdrückung.

Wie eingangs zum Ausdruck gebracht, möchten wir die Stadt Eisenberg bei dem weiteren Umgang mit dem Stadtfest unterstützen und dazu beitragen, gemeinsame kurzfristige sowie langfristige Problemlösungsvorschläge zu entwickeln. Neben der Umbenennung des Festes fordern wir von der Stadt Eisenberg die Bildung einer Arbeitsgruppe, in der politische Selbstvertretungen von Schwarzen Menschen in Deutschland sowie aktivistische Gruppen, die sich mit der Aufarbeitung lokaler Kolonialgeschichten beschäftigen, zentral mitarbeiten.

 

Unterzeichnende Organisationen und Personen

 

Antifaschistisch - Initiativ - Solidarisch (AIS) - Eisenberg Mimikri e.V. - Eisenberg

Libertas Subcultura e.V. - Hermsdorf Stünzmühle e.V. – Petersberg

Muna e.V. - Bad Klosterlausnitz

 

Iberoamérica e.V. - Jena

ANSOLE e.V. - Jena

decolonize jena!

Sandro Witt (Mobit e.V.)

MigraNetz Thüringen

Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) - Gruppe Thüringen

Decolonize Erfurt

ezra - Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen

thadine - Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk

Bund Deutscher Pfadfinder_innen Landesverband Thüringen

SJD – Die Falken Landesverband Thüringen

Naturfreundejugend Thüringen

DGB-Jugend Thüringen

Refugee Law Clinic, Jena

Dr. Matthias Quent (Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft)

LSVD Thüringen e.V.

dindingo-Gambia e.V. - Erfurt

Flüchtlingsrat Thüringen e.V.

Berater*innenkreis Runder Tisch für Demokratie Jena

NSU KOMPLEX AUFLÖSEN Jena

Jugend gegen Rechts - Jena